Wer an Ambergs berühmten Sohn Michael Mathias Prechtl denkt, dem fallen sicherlich sein Katzen-Zyklus oder die ironisierten Landschaften in und um seine zweite Heimat Nürnberg ein. Prechtl ist aber auch ein genauer Beobachter seiner Zeit gewesen, der mit Witz und Ironie die Gesellschaft und ihre Protagonisten skizzierte. Wer einen Prechtl betrachtet, muss darüber nachdenken, um ihn zu verstehen, und wird aber für die Suche nach dem Detail, dem Schlüssel zur Hintergründigkeit seines Bildes belohnt. Der Amberger hat gern mit seinen Illustrationen provoziert, aber niemals verspottet. Und Prechtl verehrte seine "Hausheiligen". Albrecht Dürer, Pablo Picasso, Rembrandt.
Ganze Bandbreite Prechtls Schaffens
Zum ersten Mal ist es nun möglich, das gesamte Werk des bedeutenden Malers im 20. Jahrhundert in einem Kompendium zu studieren. Julia Kistner hat sich mit "Michael Mathias Prechtl. Das druckgraphische Werk" die Mühe gemacht, die mehr als 150 Lithographien, Radierungen, Holz- und Linolschnitte zusammenzutragen und in einem Band herauszugeben. "Die Idee zu dem Buch entstand 2008, als mein Vater den Herzenswunsch hatte, seine Prechtl-Sammlung zu inventarisieren", erklärt Kistner ihre Motivation. Bis zum Erscheinen ihres 300 Seiten starken Buchs sei das Werk noch nie vollständig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. "Zum ersten Mal ist für den Interessierten möglich, die ganze Bandbreite des Schaffens zu erleben und nachzuvollziehen."
Ein kluger Kniff der Herausgeberin war es dabei, der Sammlung einen doch recht ausführlichen Lebenslauf Prechtls voranzustellen. Denn so ist für den Leser leicht nachvollziehbar, in welche Zeit und in welchen Umständen manche Bilder entstanden. Jede abgebildete Grafik wird detailliert beschrieben, teils erfährt der Betrachter auch Hintergründe.
Dürer, Rembrandt, Politik
Ab 1961 beschäftigt sich Prechtl mit Nürnbergs "Stadtheiligem", Albrecht Dürer. 1970 produziert er etwa für einen Druckgrafik-Kalender "Hab Dürer im Herzen". Es ist mit ganz ähnlicher Präzision ausgearbeitet wie beim Meister selbst, der auf genaueste Details großen Wert legte. Um die gleiche Zeit nimmt sich Prechtl einen anderen alten Meister vor: Rembrandt van Rijn. Kurzerhand bekommt der Niederländer ein Veilchen von Dürer ins Auge verpasst (1971). Die Abbildung von Persönlichkeiten sowie die charakteristischen Handlinien bleiben zeitlebens ein Erkennungsmerkmal von Prechtl.
Und Prechtl kommentiert. Auf seine Weise. 1969 lässt er in der Lithographie "Wachtmeister Ritter, Frl. Todt & Fritz Teufel" Journalistin Beate Klarsfeld dem Wachtmeister Ritter, also Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, eine Ohrfeige aufgrund seiner NS-Vergangenheit verpassen. Fritz Teufel und ein unter dem Pferd hervorlugender Rainer Langhans, beide Vertreter der 68er, beobachten die Szenerie.
Das Kompendium, das bemerkenswerter Weise im Querformat erschien, gibt dem Leser und Betrachter die Möglichkeit, das Werk Prechtls chronologisch zu verstehen und nachzuvollziehen. So wurde er eben aus dem 1926 in Amberg geborenen Bergmanns-Sohn, der durch Weltkrieg und Kriegsgefangenschaft für ein Leben geprägt war, zu einem verehrten und geehrten Maler seiner Zeit. Nicht umsonst zierten zwölf "Spiegel"-Titelblätter und einige der "New York Times" Prechtls Gedanken und Blicke auf die Welt und ihre Menschen.
2016 eröffnete das Stadtmuseum Amberg eine Dauerausstellung mit Prechtls Werk
Michael Mathias Prechtl - Das druckgraphische Werk, Herausgeberin Julia Kistner, Umfang 300 Seiten, Erscheinung 2020, Preis: 49,90 Euro. Erschienen im Edelmann Verlag, Nürnberg.
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